Von allen guten und bösen Geistern verlassen

Lange hat es nicht gedauert: Meine ersten Absagen auf die Bewerbungen. Keine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch bedeutet, nicht mal für einen Augenblick lang in die engere Wahl gekommen zu sein. Abgewählt und aussortiert.

Positiv überrascht hat mich allerdings, daß ein Teil der Absagen persönlicher und wärmer klingt als allgemein üblich. Gut, das ändert nicht unbedingt etwas an der Aussage, aber es verhindert das rein persönliche Gefühl, wie ein unerwünschter Bittsteller am Hofe verscheucht worden zu sein.
Die Erde wird sich auch in den nächsten Wochen noch weiterdrehen, genauso wie die Trommel mit den Arbeitslosen. Bisher nur Nieten, doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Also werde ich fleißig weiter Bewerbungen schreiben, was aber wie immer voraussetzt, daß es Stellenanzeige gibt, auf die ich mich bewerben kann.

Was mich in diesen Tagen besonders ärgert, sind unbedarft dumme Ideen, wie die Arbeitslosenzahlen in Deutschland gesenkt werden können. Für Einige liegt das Heil offenbar darin, den Kündigungsschutz vollständig zu streichen. In der Schweiz zum Beispiel sollen Kündigungen so einfach sein wie die Trennung von einem Zeitschriftenabonnement, was angeblich Ursache für einen enorm flexiblen Arbeitsmarkt und niedrige Arbeitslosenzahlen sein soll.

Wie es tatsächlich in der Schweiz ist, kann ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, daß es verdammt schwierig ist in Deutschland, ein Zeitschriftenabonnement wieder los zu werden. Abgesehen davon gibt es etwas, nach dem sich die meisten Menschen sehnen: Sicherheit. Nur mit Sicherheit ist eine Familienplanung möglich, werden Häuser gebaut und viele andere Dinge mehr. Auf Kündigungsschutz zu verzichten bedeutet, den Menschen diese Sicherheit zu nehmen. An ihre Stelle tritt die Angst. Angst, noch schneller als bisher seinen Arbeitsplatz verlieren zu können.

Aus der Pädagogik ist bekannt, daß Angst ein äußerst schlechtes Mittel in der Erziehung ist. Als Lösung für Arbeitsmarktproblem wird es sicher ebenso wenig taugen. Ich gehe auch nicht davon aus, daß durch die Einführung des „Hire-and-Fire”-Prinzips wie auf wundersame Weise Millionen von Arbeitsplätzen entstehen. Die Arbeitsmarktproblematik hat ganz andere Ursachen und bedarf daher auch ganz anderer Lösungsansätze. Sicher hilft es auch nicht, daß linke Lied von der Ungleichverteilung des Einkommens zu singen und sich über die Gehälter von Vorständen und Managern auszulassen.

Nachgedacht werden sollte eher über einen radikalen Abbau von Subventionen der Hand in Hand geht mit einer Anpassung der Preise an ihren tatsächlichen Wert. Beispiel Steinkohle. Auf die Subventionen für die deutsche Steinkohle könnte sehr gut verzichtet werden, ohne das Arbeitsplätze gefährdet wären. Der Preis für Importkohle müsste nur die gesellschaftlichen Gesamtkosten widerspiegeln: Den Transport über weite Strecken, den Mangel an Umweltstandards im Herkunftsland und den damit verbunden Schaden für die Allgemeinheit, der Abbau unter zum Teil menschenunwürdigen Verhältnissen und vieles mehr. Bei der Einbeziehung solcher Faktoren würde nicht nur heimische Kohle wieder günstiger. Durchsetzten läßt sich solch eine Strategie aber nur global.

Wie dieses skizzierte Modell, so gibt es noch viele andere Lösungswege, die alle den Nachteil haben, daß sie schwer zu vermitteln sind, nur auf internationaler Ebene funktionieren würden etc. – vereinfacht gesagt sie sind sperrig und unbequem. Das bedeutet aber nicht, daß aus diesem Grund zur falschen Medizin gegriffen werden sollte.

2 Kommentare

  1. Es gibt in der Schweiz kein angelsächsisches „Hire-and-Fire“. Allerdings kann in der Schweiz ein Arbeitsverhältnis beiderseitig im Rahmen der Kündigungsfirst (normal 3 Monate) ohne Angaben von Gründen gekündigt werden (http://www.admin.ch/ch/d/sr/220/a335.html). Da mit dieser klaren Regel eben Rechtssicherheit geschaffen wird, werden mehr Leute angestellt. Ich selber bin in einer kleinen Firma angestellt, und hatte noch keinen einzigen Tag der letzten 10 Jahre Angst um meinen Job – im Gegenteil, in der Zeit haben wir mehr als 30 Stellen geschaffen. Ja, wir mussten zwischendurch auch Leute entlassen, weil sie nicht unseren Ansprüchen genügt haben. Wenn sie gut sind, behalten sie die Arbeit – wenn nicht, müssen sie sich einen neuen Job suchen. Es ist alleweil gescheiter, einzelne Arbeitnehmer zu entlassen, als den ganzen Betrieb konkurs gehen zu lassen. In der Schweiz arbeiten die meisten Leute in kleinen Betrieben (bis 10 MA), welche 98% der Wirtschaft ausmachen. Diese Betriebe gäbe es mit einem umfassenden Kündigungsschutz (wie in Deutschland oder Italien) nicht oder sicher viel weniger.
    Was den Subventionsabbau anbelangt, da bin ich Deiner Meinung- allerdings muss soetwas nicht mal global gemacht werden.

  2. Der Punkt ist, daß es in Deutschland bei kleinen Firmen nicht anders aussieht beim Kündigunsschutz wie in der Schweiz. Allerdings werden die Stimmen der NeoCons immer lauter, die genau das angelsächsisches “Hire-and-Fire” einführen wollen. Eine ehemaliger Sozialpolitiker der CDU meinte dazu:

    „Der Prototyp des flexiblen Arbeitnehmers ist der Tagelöhner.“

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